Dienstag, 5. Juli 2016

Abschiednehmen

Rasend schnell ist mein Auslandsjahr an mir vorbeigezogen und so geht es bereits heute für mich zurück nach Deutschland. Während ich mich schon auf meine Freunde und Familie freue, ist der Abschied von meinem Leben und meinen Freunden hier wirklich schwer. Doch auch wenn der Abschied schwerfällt, habe ich einen Haufen toller Erinnerungen, die ich mit mir nach Deutschland zurücknehmen kann. Ich habe so viel gelernt über eine andere Kultur und über andere Religionen. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt und interessante Gespräch geführt. Ich bin als Person an diesem Jahr gewachsen und bin selbstbewusster und gelassener geworden.
Keine Worte der Welt können all die Erfahrungen, die ich hier machen durfte zusammenfassen, doch abschließend möchte ich nur das noch sagen:
Bosnien ist ein Land mit unheimlich viel Potential insbesondere durch die Menschen, die hier leben. Ich bin froh, dass ich mein Auslandsjahr hier machen konnte. Besonders auch da Tuzla eine Stadt mit gemischten Ethnien ist und für mich ein Vorbild für viele andere Städte, da Toleranz und Akzeptanz hier wirklich gelebt werden.
Mein Jahr hier war ein Erlebnis, das mich für den Rest meines Lebens begleiten wird und darüber bin ich sehr froh. Nun aber sage ich vorerst "Vidimo se", ich bin mir sicher, dass ich in den nächsten Jahren nochmal nach Bosnien zurückkehren werde.
Leider geht mit der Abreise auch das Packen und das
damit verbundene Choas einher :D


Sonntag, 26. Juni 2016

Javni Iftar

In meinen vorausgegangen Blogeinträgen hatte ich bereits ein paar mal erwähnt, dass Tuzla zu einem großen Teil muslimisch ist. So kam zu meiner allgemeinen Auslandserfahrung noch die Auseinandersetzung mit dem muslimischen Glauben dazu. Das Bild, das ich von Muslimen durch die deutsche Presse vermittelt bekommen hatte, war nicht unbedingt ein negatives, doch ich kann es auch nicht gerade als positiv bezeichnen. Erst hier vor Ort ist mir aufgefallen, dass sich ohne meine Zustimmung ein Stereotyp des Islams in meinen Kopf geschlichen hatte. Etwas, was ich eigentlich immer vermeiden wollte.
Genau wie es im christlichen Glauben Leute gibt, die vielleicht nur zu Weihnachten und Ostern in der Kirche auftauchen und, die ich deswegen gerne als "U-Bootchristen" bezeichne, gibt es solche Leute auch im muslimischen Glauben. Nicht jeder lebt seinen Glauben auf die gleiche Art. Es gibt verschiedene "Abstufungen".
Normalerweise sollte diese Tatsache nichts sein, was einen überrascht, doch ich muss (leicht beschämt) zugeben, dass genau das für mich der Fall war. Die Medien und meine mangelnde Erfahrung hatten, ohne dass ich es wollte oder bemerkt hätte, eine Denkblockade errichtet.
Erst hier konnte ich diese Blockade durchbrechen. Die Diskussionen, ob und wie der muslimische Glaube in die deutsche Gesellschaft zu intergrieren sei, erschienen mir auf einmal nichtig, angesichts der Tatsache, dass ich in einer Stadt lebte, in der Katholiken, Muslime und Orthodoxe friedlich zusammenleben.
Für mich als eine Person, die vorher nie wirklich in Kontakt mit dem Islam gekommen ist, war das eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Nicht nur, weil ich mehr über den Glauben erfahren habe, sondern generell gelernt habe vorsichtig mit medialer Darstellung umzugehen.
All das hat schließlich dazu geführt, dass ich ein gewisses Interesse am Ramadan (oder wie man hier in Bosnien sagt: Ramazan) entwickelt habe.
Fasten um das Leiden ärmerer Menschen nachempfinden zu können und sich selbst aufzuzeigen, dass wenn man täglich auf die essentiellen Dinge wie Nahrung und Wasser verzichten kann, man auch auf die überflüßigen Dinge im Leben verzichten kann. Mir gefiel der Gedanke dahinter und so entschied ich mich auch am Fasten teilzunehmen. Ich spreche hier ganz bewusst vom "Fasten", da ich auf die normalerweise mit Ramadan einhergehenden religiösen Aspekte, wie z.B. fünfmal am Tag zu beten, verzichtet habe.
Durch die meisten meiner muslimischen Mitmenschen wurde ich sehr unterstützt. Sie fanden es toll, dass ich Interesse für ihren Glauben zeigte und waren immer gerne bereit, mir etwas zu erklären oder über ihren Glauben zu erzählen.
Viele Leute meinten auch, dass das was ich täte nicht wirklich "Ramadan" sei, da ich nicht betete und gewisse Regeln des Fastens nicht einhielt. Nichtsdestotrotz unterstützten sie meine Entscheidnung zu fasten und verstanden meine Gründe, nicht beten zu wollen.
Alles in allem war Ramadan bis jetzt eine sehr schöne Erfahrung für mich. In den letzten Tagen musste ich es leider gesundheistbedingt unterbrechen, aber für meine letzte Woche hier in Bosnien werde ich noch einmal das Fasten aufnehmen und mein "soziales Experiment" fortsetzen.

Senad, Julian und ich beim Iftar
Was hat nun meine Erfahrung während Ramadan mit "Javni Iftar" zu tun? "Iftar" bezeichnet das Mahl, das man nach Sonnenuntergang isst, wenn man das tägliche Fasten bricht und "javni" ist bosnisch und steht für "öffentlich".
Kurz gesagt; es handelte sich dabei um ein öffentliches Fastenbrechen, dass bei uns in Tuzla stattfand und zu dem Julian und ich von einem meiner Kollegen eingeladen wurden.
Es war eine tolle Erfahrung, so in die muslimische Gemeinschaft eintauchen zu können und den besonderen
Moment des Fastenbrechens nach Sonnenuntergang
mit über 1000 Menschen zu teilen.
Es gab auch verschiedene Gesangsaufführungen bevor der Muezzin sein Gebet begann


Dienstag, 14. Juni 2016

Biking for Peace


Während meines Jahres hier in Bosnien fanden bereits
viele Veranstaltungen bei uns im Koraci Nade statt, aber das neueste Event fand ich persönlich besonders schön:
Unter dem Motto "Biking for Peace" hat der Österreicher Harald Kainer den ganzen Weg von Österreich bis Tuzla auf dem Fahrrad zurückgelegt, um dem Koraci Nade von ihm gesammelte Spenden zu überreichen.
Um Herrn Kainers gebührlich zu begrüßen, wurde eine kleine Feier im Center organisiert inklusive Grillen, einer großen Begrüßung mit allen Kindern und jede Menge Luftballons.
Alles in allem war es ein sehr schöner Tag, den nicht nur unser Gast sondern besonders auch die Kinder sehr genossen haben.

Jubeln will geübt sein
Vorbereitungschaos






Der große Empfang

Grillparty auf der Dachterrasse

Traditionelles Cevapi vom Grill


Die Spendenüberreichung


Das von Herr Kainer gespendete Geld wird für den Ausbau der Physiotherapieräume im Center genutzt, falls Sie auch Interesse haben dieses Projekt zu unterstützen, finden Sie die Daten des Spendenkontos am Ende dieser Seite.

Montag, 25. April 2016

Frühjahr in Tuzla

Der Frühling ist bei uns in Bosnien angekommen und auch wenn das Wetter mit seinem Wechsel aus knapp 30 grad und Sonne und 10 Grad und Regen bzw. Schnee etwas irritierend sein kann, so ist die Durchschnittstemperatur von ca. 20 Grad doch sehr angenehm. Dazu kommt, dass endlich unsere Umgebung wieder in seinem satten Grün erblüht und sich der "Winter-Smog" endlich aus der Stadt verzogen hat.
Ideale Bedingungen für allerlei Events also. Zwei dieser Veranstaltungen will ich gerne in diesem Blogeintrag vorstellen.
Zum einen war da die Präsentation des Gedichtbandes "Govor tužnog srca" (Die Rede eines traurigen Herzes), den ein Mädchen aus dem Koraci Nade mit der ich sehr gut befreundet bin geschrieben hat.
Eine ihrer Gedichte handelt vom Koraci Nade und ich habe das einmal (so gut es ging) für euch übersetzt.

Original:
Udruženje "Koraci Nade" volju za život mi dade,
Tamo rade osobe dobre ćudi, svi su uvijek veseli ljudi.
Oni mi pružaju veliku pomoć
pa se često pitam kakvu to oni imaju moć?

Od početka samog Jaca je tu,nasmijana i draga,
ne mogu je zamijenit' ni cijelog svijeta blaga.

I profesorica Ajša, s njom rame uz rame,
učiniše za nas najradosnije dane.

Azra je stvarno legenda od žena, bar za mene.
Neumorno za nas se bori i veselu atmosferu oko sebe stvori.

Imamo mi i doktoricu Azru, to je biće koje osmijehom liječi.
Da se ona opiše, teško je naći prave riječi.

Da opisujem Edinu, mogla bih i čitave sate,
al' samo ću reći da je dobra, znate.

Naša nam Selma ideje daje i od nje nema bolje raje.
Asmira nas uči da šaramo i od toga svoja djela stvaramo.

Suad je šofer pravi i samo je šala u njegovoj glavi.
I eto, to bi bilo to, da Bog da živjeli još godina sto.


Alle vom Koraci Nade waren total von den Gedichten begeistert
(Links die Direktorin des Centers Jasmina und rechts Selma)

Übersetzung:
Die Einrichtung "Koraci Nade" gab mir den Willen zu leben.
Dort arbeiten gute Menschen, sie alle sind immer glückliche Leute.
Sie sind mir eine große Hilfe
und oft frage ich mich, was für eine Stärke sie haben?

Von Anfang an war Jaca hier, lächelnd und lieb,
Alle Schätze der Welt können sie nicht ersetzen.

Und Professorin Ajša, mit ihr Schulter an Schulter,
kreiert sie die schönsten Tage für uns.

Azra ist wirlich eine Legende von einer Frau, zumindest für mich.
Unermüdlich kämpft sie für uns und schafft eine fröhliche Atmosphäre um sich.

Wir haben auch noch die Ärztin Azra, sie ist ein Mensch, der mit einem Lächeln heilen kann.
Um sie zu beschreiben, ist es schwer die richtigen Worte zu finden.

Wenn ich Edina beschreibe, und das könnte ich stundenlang,
aber ich würde nur sagen, dass sie gut ist, wisst ihr?

Unsere Selma gibt uns Ideen und es gibt keine bessere Freundin als sie.
Asmira lehrt uns zu schreiben, zu kritzeln und dadurch kreiieren wir unsere Werke.

Suad ist unser richtiger Fahrer und in seinem Kopf befinden sich ausschließlich Scherze.
Das wäre das, auf das Gott sie noch hundert Jahre leben lässt.

(Ich weiß meine Übersetzung ist mediumoptimal, aber es ist wirklich, wirklich schwer manche Dinge aus dem Bosnischen zu übersetzen, also bitte habt Nachsicht mit mir)

Die Gedichtlesung fand passenderweise im Koraci Nade statt






Die zweite Verantstaltung, die ich vorstellen wollte, war die "Proljetni Sajam" (eine Art Frühjahrsbazar) im Agora. Dort haben allerlei Vereine, freiwillige Organisationen und kleine Betriebe ihre Produkte oder Tätigkeiten vorgestellt und auch wir vom Koraci Nade waren vertreten. An unserem Stand gab es selbstgemachten Schmuck und andere Kleinigkeiten.

Unser kleiner Stand...
Meine Kollegen beim rumalbern :D
...mit all unseren Produkten
Es gab sogar Zuckerwatte <3


Trotz der "Arbeit" hatten wir jede Menge Spaß






Montag, 7. März 2016

Halbzeit

Zur aller erst sollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich so lange nichts mehr in meinem Blog veröffentlicht habe, doch im Januar und Februar lief mein "bosnischer Alltag" so routiniert ab, dass die beiden Monate einfach so an mir vorbeigerauscht sind. Was wiederum zweierlei Folgen mit sich führte: Erstens dass ich das Gefühl hatte, nichts Interessantes zu erzählen zu haben und deswegen nichts hochgeladen habe und zweitens, dass ich mit großem Erstaunen feststellen musste, dass auf einmal schon über die Hälfte meines Auslandsjahres vorbei war.
Anlässlich dieser Halbzeit wurden wir von unserer Organisation zu einem Zwischenseminar nach Rumänien geladen und obwohl ich mir eingestehen muss, dass ich anfangs weniger motiviert war, über zwei Tage verteilt 16 Stunden lang nach Cluj zu tuckern, war das Seminar die lange Anreise wirklich wert:
1. konnte ich mir die letzten sechs Monate und die nächsten Monate noch einmal konkret durch den Kopf gehen lassen.
2. konnte ich Erfahrungen mit super netten anderen Freiwilligen austauschen und neue Freundschaften schließen.

Zu 1. ist mir aufgefallen, dass ich in diesem Jahr so viel mehr erhalten habe, als ich jemals wieder zurückgeben könnte. Mir wurde gestattet, eine neue Sicht auf die Welt und eine Gesellschaft außerhalb Deutschlands einnehmen zu können. So konnte ich viel Neues lernen und das in allerlei Aspekten z.B. durch meine Arbeit mit den Kindern. Insgesamt klingt das alles jetzt vielleicht etwas vage, aber die Sache ist die, dass ich nicht genau beschreiben kann, was ich gerne ausdrücken möchte.
Und damit komme ich auch schon zum 2. Punkt: Den bei dem Austausch mit den anderen Freiwilligen ist mir aufgefallen, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben und ähnlich empfinden wie ich. Natürlich gab es hier auch viele Unterschiede auch zwischen den Einsatzländern und -stellen, aber dennoch konnten wir alle unheimlich viel Verständnis für einander aufbringen, was mir total geholfen hat.

Alles in allem sieht meine Bilanz der letzten Monate ziemlich gut aus. Zwar gibt es noch sehr viel was ich gerne ändern möchte besonders auch an mir selbst und natürlich gab es auch Phasen oder Momente, in den es mir nicht wirklich gut ging. Aber ich konnte so viel lernen, über andere Weltansichten, eine andere Kultur und andere Menschen, was mein Empathievermögen sehr geschult hat. Es ist wirklich schwer oder vielmehr unmöglich meine ganzen Erfahrungen in einem Text zusammenzufassen. Eins sei jedoch gesagt: Dieses Auslandsjahr ist eine unheimlich bildende Erfahrung, die ich um nichts auf der Welt missen wollen würde.
Die ganze Seminargruppe auf einem Ausflug in ein orthodoxes Kloster :)

Dienstag, 29. Dezember 2015

Weihnachten

Mein erstes Weihnachten weg von zu Hause. Ohne meine Familie und ohne die gewohnten Traditionen. Besonders komisch war, dass die allgemeine Weihnachtsstimmung, die man in Deutschland hat, so gar nicht vorhanden war. Zwar gab es schon Weihnachtsdeko und Anzeichen, dass Weihnachten vor der Tür steht, aber niemand hat dem Fest richtig entgegen gefiebert.
Schöne Weihnachten hatte ich trotzdem: Einen ruhigen Heiligabend inklusive eines langen Skypetelefonats mit meiner Familie, Weihnachtstage mit Freunden, Weihnachtsevent in der Arbeit, weihnachtlich abgestimmte Konversationsstunden und sehr leckeres Essen.
Alles in allem also ein sehr gelungenes Weihnachtsfest.


Tuzlas größter Weihnachtsbaum
Winterwetter in Simin Han
Weihnachtliche Wohnung








Weihnachten mit der Familie via Skype :D

































In der Arbeit gab es eine Weihnachtsfeier für die Kinder inklusive Weihnachtsmann und Geschenktüten, worüber sich die Kinder super dolle gefreut haben. Alleine das Zuschauen hat schon Spaß gemacht.
Die Vorweihnachtszeit hingegen war im Koraci Nade eher stressig, da wir Weihnachts- bzw. Neujahrkarten gebastelt haben, um diese zu verkaufen. Außerdem waren wir Anfang Dezember auf einer kleinen Handwerksausstellung, die extra für Einrichtungen wie das Koraci Nade war, und mussten auch dafür Produkte vorbereiten.
Da das Koraci Nade hauptsächlich von Spenden abhängig ist, ist der Verkauf der Karten und anderer Produkte, eine gute Gelegenheit selbst etwas Geld für neue Projekte und Materialen zu verdienen.

Falls Sie Interesse haben, das Koraci Nade oder auch den Freiwilligendienst "Jesuit Volunteers" mit einer kleinen Spende zu unterstützen, finden Sie am Ende dieser Seite die Kontodaten dafür.



Erst einmal den Stand aufbauen




Die Kinder hatten einen Tanzauftritt und dabei jede Menge Spaß


























Besonders schön war, dass Julian und ich uns am 4. Adventswochen mit einem Wochenendtrip auf Zagrebs Weihnachtsmarkt auf die Feiertage eingestimmt haben.


Ausblick auf Zagreb - bei Tag und bei Nacht


















Zagreb bei Nacht
Im Hintergrund kann man die Kathedrale Zagrebs erkennen
Der Ausblick über Zagreb - leider war es an dem Tag sehr nebelig


 




Zagreb teilt sich in zwei Teile auf "Upper Zagreb" und "Lower Zagreb",
hierbei kann man den höheren Teil der Stadt mit etlichen (sehr langen) Treppen erreichen